Ehrenplatz für Gründervater

Eberhard Brecht hat eine Lithographie, die Hermann Schulze-Delitzsch zeigt, an die Harzer Volksbank, übergeben. Was sie miteinander verbindet.

MZ - Petra Korn: „Es ist kein Rubens und kein Rembrandt“, sagt Eberhard Brecht mit einem
Schmunzeln, „aber eine von ganz wenigen noch existierenden Lithographien von Schulze-Delitzsch.“ Diese hat der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Quedlinburger Oberbürgermeister nun an Heino Oehring, Vorstand der Harzer Volksbank, übergeben. Sind Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen doch Gründerväter des Genossenschaftswesens und der Volksbank, die auch in Quedlinburg präsent ist. Viele Straßen in ganz Deutschland seien nach Schulze-Delitzsch benannt, es gebe auch Denkmale, erklärte Eberhard Brecht. Er habe sich entschieden, die Lithographie an die Volksbank in Quedlinburg zu geben, weil diese hierhin passe. Die Lithographie stammt aus dem Privatbesitz der Familie
Brecht. Sein Urgroßvater Gustav, berichtete Eberhard Brecht, war nicht nur Oberbürgermeister von Quedlinburg. Er sei, wie man heute sagen würde, ein Allrounder gewesen, habe beispielsweise Archäologie betrieben. „Und er war ein begeisterter 1848er, er war für die Abschaffung der Monarchie und für die Demokratie.“ Deshalb habe, berichtete Eberhard Brecht, der preußische König auch von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht, nachdem er gehört hatte, dass Gustav Brecht von der Potsdamer Bürgerschaft zum Bürgermeister gewählt worden war. Sein Urgroßvater, schilderte der SPD-Politiker weiter, habe aber auch sehr viel gesammelt.
Eine Sammlung, die Eberhard Brecht nun im vergangenen Jahr an einigen Tagen gesichtet hatte. Zu dieser gehörten beispielsweise Grafiken oder Lithographien, die keinen Seltenheitswert besäßen, „aber auch solche Stücke, wo ich sage: Hallo!“ So hat er kürzlich dem Städtischen Museum Halberstadt eine Grafik übergeben: ein Porträt des Theologen, Philosophen
und Historikers Christian Friedrich Bernhard Augustin, Oberdomprediger und Ehrenbürger
der Stadt Halberstadt (die MZ berichtete). Zu den besonderen Stücken gehört aber auch das
Porträt von Schultze-Delitzsch - eigentlich Franz Hermann Schulze, der 1808 in Delitzsch geboren
wurde und 1883 in Potsdam starb. Diese Reproduktion der Lithographie von einem Fischer - der
Vorname ist unbekannt - wurde durch den Verlag und Druck von W. Korn und Co in Berlin hergestellt, berichtet Brecht. Unter dem Porträt Schultze-Delitzschs befinde sich ein Text, der Teil der Lithographie sei. „Es ist ein sehr bitterer Text“, der sich kritisch mit der Monarchie auseinandersetze, sagt Eberhard Brecht. „Ich nehme an, dass er nach 1848 entstand.“

 

Ein Porträt von Hermann Schulze-Delitzsch, der zur den Gründervätern des Genossenschaftswesens zählt, hat Bundestagsabgeordneter Eberhard Brecht (r.) an Heino Oehring, Vorstand der Harzer Volksbank, übergeben.

Die Lithographie scheine relativ selten zu sein; in einer Bildergalerie von Schulze-Delitzsch sei sie nicht aufgeführt, aber es gebe sie mindestens noch ein Mal. Wie die Reproduktion in den Besitz seines Großvaters gelangte? „Ich nehme an, die beiden werden sich irgendwann über den Weg gelaufen sein, weil sie beide begeisterte 1848er waren“, sagt Eberhard
Brecht. Von Schulze-Delitzsch und Raiffeisen damals für das Genossenschaftswesen
formulierte Grundsätze wie Hilfe zur Selbsthilfe, das demokratische Prinzip - jeder Genosse hat eine Stimme - und Unabhängigkeit würden noch heute für die Volksbank gelten.
Er würde sich freuen, so Brecht, wenn die Lithographie in dieser Bank in seiner Heimatstadt
an einen schönen Platz komme. „Es ist auch eine schöne Arbeit.“ „Wir sind sehr, sehr stolz und freuen uns wirklich sehr“, sagt Heino Oehring. Er verweist darauf, dass der Genossenschaftsgedanke auch in das immaterielle Kulturerbe aufgenommen worden
sei und Genossenschaften in Deutschland heute rund 24 Millionen Mitglieder hätten. „Wir
finden für das Porträt einen besonderen Platz mit einem besonderen Rahmen.“ Die Lithographie der Brechtschen Sammlung besaß keinen solchen, und Eberhard Brecht hatte sie provisorisch gerahmt, damit sie beim Transport keinen Schaden nimmt. „Wir laden ein, sobald wir die Lithographie gerahmt haben“, versprach Heino Oehring.